Nordrhein-Westfalen

Der „geniale Geschmackswunder vollbringende intellektuelle Grübler“ Joachim Wissler, 43, in Bergisch Gladbach bei Köln kochte sich nach dem Geschmack der französischen Gourmet-Bibel Gault Millau in die kulinarische Weltspitze. Kritik übt die jetzt erscheinende Deutschlandausgabe 2007 an den jahrelang gehätschelten Starköchen Dieter L. Kaufmann in Grevenbroich und Berthold Bühler in Essen, weil ihnen der „kreative Pfiff“ fehle.

 

Bei Wisslers Gerichten gerieten die Tester ins Schwärmen: „Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor so viel technischer Brillanz: Erst marinierte, dann tiefgefrorene Gänseleber wird mit einer Spezialreibe zu feinem Schnee geraspelt, der sich mit süßem Mandelkrapfen, Saft von Lakritz und grünem Apfel sowie Spänen und Scheiben von schwarzen Trüffeln zu einer ungemein anregenden Aromenkaskade verbindet. Die Kombination von gegrilltem Steinbutt und geschmortem Fenchel klingt eher klassisch, doch die Sache wird spannend, wenn Wissler den Fisch mit Süßdoldenbutter und das Gemüse mit Ochsenmark liiert.“ Auch für „fast freche, jedenfalls äußerst witzige Hingucker wie das quaderförmige Paket aus eingelegten Schweineschnäuzchen und darauf drapierten Bachkrebsen, die sich quietschvergnügt in einer Meerrettich/Petersilien-Vinaigrette tummeln,“ bekam der Küchenchef des Restaurants „Vendôme“ im „Grandhotel Schloss Bensberg“ vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 19,5 von 20 möglichen Punkten.

 

Diese Note erreichen in Deutschland nur noch 3 Köche.
Unter ihnen sein Bergisch Gladbacher Nachbar Dieter Müller im Hotel „Schloss Lerbach“, der stets mit seinem designierten Nachfolger Nils Henkel auftritt. Auch hier jubeln die Kritiker:„Für den gerösteten Tafelspitz in dicken Scheiben von überraschender Zartheit mit einer fast groben, aber grandiosen Senfkörnersauce, glacierten Nierchen, jungem Lauch und kleinen Pfifferlingen geben wir ohne zu zögern unsere Idealnote. Grandios auch eine Kreation, die sich poetisch ‚Pfännchen von Bach und Wiese’ nennt und wie alles wirklich Große ganz einfach strukturiert ist: nichts weiter als eine gefühlvoll geknüpfte Liaison von Kalbsbries, Champagnerkutteln, Schnecken und Krebsschwänzen. Nicht weniger überzeugend gerät die Verbindung von Land und Meer in einem Gratin vom Bretonischen Hummer, der sich auf getrüffeltem Kalbskopfkompott ausbreitet und aromatische Verstärkung von offenen Gewürzzwiebelravioli erhält.“

 

Die beiden Kochkönige in NRW haben 5 Kronprinzen, die jeweils 18 Punkte erreichten. 3 hatten sie schon im Vorjahr und verteidigten sie mit beeindruckenden Gerichten: Jean-Claude Bourgueil vom „Schiffchen“ in Düsseldorf („Hummersalat mit Mango und Thaikräutern, in Zimtbutter gebratenes Kaninchen, Ananas-Ravioli mit Joghurtsorbet und Piña-colada-Schaum“), Eric Menchon vom „Le Moissonnier“ in Köln („24 Stunden im eigenen Saft geschmorter Schweinebauch mit Chilisauce, Kokos/Minz-Creme, gebackenen Kartoffeln und Creme-Erbsen; Pastilla (Teigtasche) vom jungen Täubchen mit Maury-Wein, Melisse und Zimt sowie gebratene Taubenbrüstchen mit Pflaumensauce und witzigen Rotkohl-Spätzle“) und Bernd Stollenwerk vom „Gut Lärchenhof“ in Pulheim bei Köln („geschmorte Jacobsmuscheln mit japanischem Meerrettichschmelz auf Kiwikompott und gebratenen Austernpilzen; gebratener Adlerfisch mit Blutwurst, Bärlauchspätzle und eingelegten Kirschtomaten“).
Seinen im Vorjahr verlorenen 18. Punkt holte sich Peter Nöthel in sein Düsseldorfer „Hummerstübchen“ zurück. Die Tester: „Nach den leichten Stagnationen, die wir in den letzten beiden Jahren anzumerken hatten, sind wir nun verblüfft, mit welch innovativem Elan darauf reagiert wurde. Harmonisch aufeinander abgestimmt die Aromen beim gebratenen Loup de mer auf Hummerrisotto und Eisenkrautsauce oder bei der vorzüglichen Langustine auf eingemachtem Chicorée mit Pfirsich und edelsüßem Essig-Fond. Auch das ein Genuss für Augen und Gaumen!“

 

„Wir bitten um etwas mehr kreativen Pfiff“

 

Von 19 auf 18 zurückgestuft wurde Dieter L. Kaufmann, 69, der seit 45 Jahren in seiner Grevenbroicher „Zur Traube“ am Herd steht: „Wir können ihm nicht berufslebenslang für seine sich seit Jahren nur noch in Nuancen verändernde Küche 19 Punkte geben. Stillstand ist nun mal auch in Grevenbroich Rückschritt, und Modifizierungen von Gerichten sind kein kulinarischer Fortschritt.“ Beim ebenfalls zurückgestuften Bühler in Essen (von 18 auf 17 Punkte) monierten die Kritiker:

„Warum kommt es uns so vor, als hätten wir das geschmorte Kalbsbäckchen, den kross gebratenen Loup und wohl auch die Saltimbocca vom Steinbutt oder den Kegel von Valrhona-Schokolade so oder so ähnlich schon öfter gegessen? Wir bitten um etwas mehr kreativen Pfiff, der über die hübsch präsentierten Salze in Schwarz-Rot-Weiß hinausgeht.“



 
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[Letzte Änderung 28.01.2007]
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